Gerade lese ich im Spiegel (Papierausgabe 27/2025) einen Leitartikel eines gewissen Jürgen Dahlmann.
Er schreibt zu Jens Spahns Maskenaffäre:
Früher hätte so etwas zum Rückzug aus der Politik geführt.
Und ich denke so: “Wann war denn eigentlich dieses Früher?”

Ich kenne es nicht. Die Geschichte der Bundesrepublik ist voll von Beispielen, in denen Politiker*innen wider guten Rat und besseres Wissen zum eigenen oder politischen Vorteil das Land nachhaltig geschädigt haben und danach ihre Karriere fortgesetzt haben.
Da ist Herr Dobrindt (CSU), der gegen bekanntes Europarecht als Verkehrsminister die teure Ausländermaut aufgleiste, um Wählerstimmen von rassistischen Autofahrern einzusammeln. Das hat uns alle Geld gekostet und den Rassismus im Land weiter befeuert. Jetzt ist er Innenminister.
Da ist Frau von der Leyen (CDU), die anstatt die marode Bundeswehr fit zu machen, ein Heer von extrem teuren Beratern, oft freihändig und aus dem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis, anheuerte, um die Bundeswehr in noch schlechterem Zustand zu hinterlassen, als sie diese vorgefunden hatte und nachher im großen Stil Beweise vernichten ließ. Sie ist Chefin der Europäischen Kommission, wahrscheinlich die mächtigste Frau der Welt.
Da war Herr Scholz (SPD), tief in CumEx-Verbrechen verstrickt, die uns alle mindestens 35 Milliarden gekostet haben. Der Mann ist nachher Bundeskanzler geworden und unter seiner Ägide wurde die Aufklärung verschleppt und die Aufbewahrungsfrist für Beweise verkürzt.
Da war Helmut Kohl (CDU), der seine Amtszeit mit dem bis dato größten Parteispendenskandal der Republik begann und erst vier Amtszeiten später über neue Parteispendenskandale stürzte. In seiner Amtszeit wurden mit der Abwicklung eines halben Landes mindestens eine Billion Mark öffentlicher Gelder in die Taschen von Konzernen, Immobilienhaien und zweifelhaften Beratern gespült. Die Treuhand-Geschichte und die Deindustrialisierung des Ostens zum Wohle westdeutscher Konzerne ist immer noch nicht aufgearbeitet.
Und da gab es noch den Postminister Schwarz-Schilling (CDU), der nichts von der damals absehbaren Glasfasertechnik wissen wollte und das Land mit Kupferkabeln durchziehen ließ, und dessen Frau zufällig im Kupferkabelgeschäft war. Geschadet hat es ihm nichts. Konsequenzen für uns hat sein Handeln bis heute: Die digitale Infrastruktur in Deutschland ist so ziemlich die schlechteste in Europa, aber wir haben dank christlich-liberaler Privatisierung profitable Konzerne.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Besonders erstaunlich ist allerdings, dass man ausgerechnet im Hause Spiegel die Mutter aller politisch-finanziellen Skandale der Bundesrepublik vergessen hat:
Den Starfighter

Ich war zu der Zeit noch nicht auf der Welt, genau wie wahrscheinlich die wenigsten der Leute, die dies lesen. Also lasst uns in die Geschichtsbücher schauen:
In der jungen Bundesrepublik gab es einen aufstrebenden und sehr ehrgeizigen Verteidigungsminister aus Bayern: Franz Josef Strauß (CSU). Dieser träumte nicht nur von einer Atombewaffnung für die wiedererstandene Reichs- (Verzeihung: Bundes)wehr, sondern auch von schnellen Kampfjets, um russische (Verzeihung: sowjetische) Bomber abzuwehren.
Vor allem aber träumte er davon, seinen damals rückständigen Freistaat durch Mittel aus dem Wehretat zum Zentrum der deutschen Wehr- und Luftfahrt-Technologie zu machen. Die Voraussetzungen waren nicht schlecht:
Nach der Berliner Blockade hatte es fast alle Konzernzentralen und technischen Entwicklungsabteilungen aus der ehemaligen Hauptstadt in den Westen der Republik gezogen, vor allem in den christdemokratisch dominierten Süden und speziell nach Bayern, teilweise aus strukturpolitischen Erwägungen, vor allem aber, weil Adenauer (CDU) auf bayerische Wählerstimmen angewiesen war.
Der US-Hersteller Lockheed-Martin war um 1957 bereit, ein Flugzeug zu liefern, das Strauß’ Vorstellungen entsprach (insbesondere auch, Atombomben zu tragen – was bei der technisch ausgereifteren und besseren Mirage aus Frankreich nicht der Fall gewesen wäre) und zu einem großen Teil in Bayern zu bauen und erhielt den Zuschlag.
Der Starfighter (auch Witwenmacher genannt) wurde wegen seiner vielen Abstürze zu einem kompletten Desaster, mit Milliardenkosten und über 100 Toten. Als 1962 der Spiegel Unregelmäßigkeiten (mögliche Korruption und selbstherrliche Entscheidungen des Ministers – Moment mal: Kennen wir nicht sowas?) aufdeckte, hieß es Landesverrat, journalistische Akten wurden beschlagnahmt und Herausgeber und einzelne Journalisten verhaftet.
Der Affäre kostete Franz Josef Strauß zwar sein Ministeramt, seiner späteren politischen Karriere als König von Bayern tat sie jedoch keinen Abbruch.
Wo sehe ich das Versagen des deutschen Journalismus?
Der heutige deutsche Journalismus ist geschichtsvergessen und weigert sich konsequent, Strukturen zu erkennen und zu benennen.
Die Bundesrepublik ist seit ihren Anfängen im Mark korrupt. Die innige Verbandelung von Politik und Konzernen, die Deutschland AG, hat die Bevölkerung schier unendliche Summen gekostet, die einer kleinen Klasse von Kapitalisten zugute gekommen sind. Selbst die Skandale haben die meisten der willigen Helferlein aus der Politik (vor allem aus CSU und CDU aber auch aus der SPD) relativ unbeschadet überstanden.
Früher hätte so etwas zum Rückzug aus der Politik geführt
Und ich frage immer noch: Wann war denn nun eigentlich dieses Früher?
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