Was geschieht mit der Menschheit, wenn sie zum ersten Mal in Kontakt mit einer technisch weit fortgeschrittenen Zivilisation tritt?
Dies ist ein klassisches Thema der Science Fiction, welches sich wie kaum ein anderes als Projektionsfläche für Ängste und Hoffnungen einer Epoche eignet. Frühe Werke dieses Subgenres sind zum Beispiel The War of the Worlds (1897) von H.G. Wells und Auf zwei Planeten (1897) von Kurt Laßwitz. Beide sind im Zeitalter des Kolonialismus entstanden und in beiden sieht sich die Menschheit einer technisch, und im Fall von Laßwitz auch zivilisatorisch, überlegenen Invasion vom Mars gegenüber. Ist es bei Wells ein geplanter Eroberungsfeldzug, ist es bei Laßwitz eine zufällige, zunächst freundliche, Begegnung, die dann wegen der Aggressivität der Menschheit zum Konflikt eskaliert, der mit einer schnellen Niederlage der Menschheit endet, bis diese sich durch Aneignung von außerirdischer Technologie erfolgreich wehrt.
Die Geschichte endet jedoch nicht an dieser Stelle. Der Kontakt mit der Mars-Zivilisation verändert und befruchtet auch die irdische und lässt sie über das Zeitalter der internen Konflikte hinauswachsen.
Das Thema Weiterentwicklung der Menschheit durch Kontakt mit dem Fremden ist auch in den folgenden fast 130 Jahren stets aktuell geblieben, reflektiert es doch einerseits die Verzweiflung über den kalamitösen Zustand des irdischen Jammertals und die Unvollkommenheit der menschlichen Natur, wie auch die Hoffnung auf das schlummernde Potenzial der Menschheit, sich letztlich doch zum Guten zu erheben. Dies ist ein quasi-religiöser Erlösungsmythos, nur dass es hier eben die Außerirdischen sind, welche die Rolle des Rettergottes übernehmen.
Diesem immer wieder beschworenem Erlösungsmythos verdanken wir nicht nur Romane und Kurzgeschichten, sondern auch viele großartige Filme, wie etwa
The Day the Earth Stood Still (1951)
oder
The Abyss (1989)
Ein weiterer herausragender Film in dieser Reihe ist Arrival (2016) von Denis Villeneuve, der auf der 1998 erschienenen Kurzgeschichte Story of Your Life von Ted Chiang basiert.
Auch hier erscheinen die Außerirdischen zunächst aus dem Nichts, in der Form von gigantischen Artefakten, die zunächst stumm und regungslos an verschiedenen Punkten der Erde auftauchen. Schnell beginnt ein Wettlauf darum, als erster mit den Fremden in Kontakt zu treten. Für die USA ist dies die Linguistin Louise Banks (Amy Adams), welche die Aufgabe erhält, die Kommunikation mit einer völlig fremdartigen Lebensform, in diesem Fall riesenhaften sieben-beinigen Wesen, die in einer Art Medium schweben, herzustellen.
Tatsächlich gestaltet sich die Aufgabe als außerordentlich schwierig, denn die Wesen kommunizieren nicht durch eine Lautsprache, sondern mithilfe kreisartiger Symbole, deren Ausfransungen sie mit Bedeutung versehen.
Dem Kreis kommt hier eine besondere Bedeutung zu, denn ein solcher hat ja keinen Anfang und kein Ende. Jeder Kreis steht für eine Botschaft, und diese Botschaft ist nicht von vorne nach hinten zu lesen, sondern als Ganzes zu erfassen. Louise muss erkennen, dass es bei ihrer Aufgabe um weit mehr geht als darum, ein Kommunikationsprotokoll zu entwickeln, sondern darum, sich in eine völlig neue Gedankenwelt hineinzufinden.
Der Linguist Benjamin Lee Whorf stellte in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die These auf, dass das menschliche Denken und Begriffsvermögen des Menschen durch die Möglichkeiten seiner Sprache konditioniert und auch limitiert sei. Das Erlernen einer neuen Sprache bietet demnach auch die Möglichkeit, eine andere Wahrnehmung der Wirklichkeit zu entwickeln.
In dem Maße, wie Louise ein Verständnis für die Sprache der Außerirdischen entwickelt, bemerkt sie Veränderungen an sich selbst: Sie hat Visionen von sich selbst, sieht sich in Situationen, die sie bisher nicht erlebt hat.
Im Moment der größten Not, kurz bevor aufgrund eines Missverständnisses die Gewalt eskaliert, denn natürlich dürfen auch in diesem Film die klassischen Versatzstücke eines Science-Fiction-Dramas, wie etwa bornierte Wissenschaftler und kriegslüsterne Militärs, nicht fehlen, begreift sie, dass die nichtlineare Struktur der fremden Sprache ihren Geist so weit geöffnet hat, dass sie die Zeit selbst nicht mehr als eine unablässig dahinfließende Abfolge von Ereignissen wahrnimmt, sondern in ihrer Gesamtheit. Ihre Visionen stammen allesamt aus ihrer eigenen Zukunft und helfen ihr, die Schwierigkeiten der Gegenwart zu bewältigen. Der Ansatz des Films geht jedoch deutlich über die Thematisierung des Blickes in die Zukunft hinaus. Mit der Auflösung des linearen Zeitbegriffs fällt auch die zeitliche Abfolge von Ursache und Wirkung, mithin kann der Ursprung eines Ereignisses auch in der Zukunft liegen.
So erstrebenswert es sein kann, vergangene, gegenwärtige und zukünftige Ereignisse gemeinsam wahrzunehmen, stellt sich natürlich die Frage nach dem Wert der Gegenwart und ob es Sinn hat, sich überhaupt um etwas zu bemühen, wenn man das zukünftige Scheitern oder Unglück bereits kennt. Auch mit dieser Frage muss sich Louise auseinandersetzen und ihre eigene Antwort finden.
Der Film hat mich absolut fasziniert, auch wenn ich nicht von Whorfs Theorie überzeugt bin. Er ist visuell großartig, anrührend, spannend und regt zum Nachdenken an. Ein bisschen kurz kommt mir Louises linguistische Arbeit und ein tieferer Einblick in das Wesen der universellen Sprache.
Von mir gibt es mindestens 4 Sterne.
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